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"Die kleine Hexe" als Weihnachtsmärchen am Theater Bielefeld

Zauberhaftes für die Kleinen

VON HEIKE SOMMERKAMP

Bielefeld.
Hexen sind gruselig. Dieser weit verbreiteten Ansicht stellte Otfried Preussler vor über 50 Jahren seinen Kinderbuchklassiker "Die kleine Hexe" entgegen. Roland Hüve inszenierte die quirlig-sympathische Zauberfrau als Weihnachtsmärchen am Bielefelder Theater - eine gute Wahl, deren einfallsreicher, kindgerechter Umsetzung das begeisterte Premierenpublikum am Samstagnachmittag anhaltend-herzlichen Beifall zollte.

Die überdimensionierte Spinne, die über der Bühne hockte, war wirklich nur Staffage - als viel interessanter erwiesen sich die rund um die Bühne angebrachten Instrumente, die "Kröte" Marius Heuser von seiner dämmerigen Höhle rechts der Bühne per Seilzug anspielen konnte. Der Musiker begleitete nicht nur alle Lieder live, sondern untermalte Zaubersprüche und Bühnengeschehen mit raffiniert einfachen Klangszenerien.

Als freche 127-jährige Titelheldin, die nach Ansicht der sauertöpfischen älteren Hexen viel zu jung für die Walpurgisnachtfeier ist, spielte sich Julia Friede in mitreißend guter Laune, einer unterhaltsamen Prise jugendlichen Rebellentums und mit kindlich-unschuldigem Spaßverständnis unwiderstehlich quirlig in die Herzen der kleinen und großen Zuschauer.

Für gute Ratschläge und zum Bremsen ihres jugendlichen Überschwangs stand der bunt gewandeten, aufmüpfigen Hexe mit der gewaltigen Nasenmaske der sprechende Rabe Abraxas zur Seite; Christoph Wehr verkörperte ihn gewichtig im schwarzen Federmantel und mit einem schwarzen Schnabel auf der Nase.

Zur Freude der Kinder hörte die Hexe aber nur selten auf seinen guten Rat und verwandelte den unbequemen Mahner zwischendurch sogar erst in einen Affen und dann in einen Hund, was Wehr trotz Federkleid unverkennbar auf die Bühne brachte.

Für andere Zaubereien griff die kleine Hexe tief in die Trickkiste und ließ auf unerklärliche Weise einen Tisch schweben, einen Besen erst wachsen, dann schrumpfen und hauchte einem himmelblauen Taschentuch sogar geisterhaftes Leben ein. Dass sich im herbeigezauberten Schneemann der Kampf- und Actionspezialist Benjamin Armbruster versteckte, wurde dagegen allen klar, als er plötzlich mit dem Reisigbesen ausholte und die nervigen Kaputtmachkinder (herrlich dumpf-cool: Katrin Nowak und Jan Kämmerer) unter großem Applaus wieder und wieder auf die Bretter legte.

Bei allem Schabernack hatte die gute Hexe auch ein Herz für die Schwachen - wer das lähmende Unbehagen des schüchternen Blumenmädchens (Nicole Lippold), das niesende Elend des frierenden Maronimanns (Benjamin Armbruster) oder die Not der eigentlich recht rüstig-bissigen alten Holzweiblein (Katrin Nowak und Nicole Lippold) angesichts des gestrengen, von der eigenen Wichtigkeit erfüllten Försters (Jan Kämmerer) gesehen hatte, freute sich diebisch, wenn die Titelheldin ihnen zur Hilfe kam, Spaß dabei hatte und nebenbei die Welt zu einem etwas besseren Ort machte.

Als die Geschichte schließlich vor dem Hexenrat für die kleine Hexe brenzlig wurde, hatte sie den ausverkauften Saal geschlossen hinter sich. "Die schafft das schon", tröstete ein kleines Mädchen sein aufgeregtes Geschwisterchen im Nachbarsessel.

Und wirklich: Im dämmerigen Schwarzlicht gelangen der Protagonistin atemberaubende Zaubereien - den Kleinsten im Publikum wurde es angesichts des totenschädelähnlichen Anblicks des hell gepuderten Hexengesichts allerdings recht mulmig zumute. Um so befreiter klatschten sie mit, als die Hexe und Abraxas nach allen Fährnissen ausgelassen um den brennenden Besenhaufen, der kurz zuvor noch als Wald die Bühne geziert hatte, tanzten.

Wandlungsfähige, spielfreudige Schauspieler - außer der Titelfigur und Abraxas hatte jeder Akteur mindestens drei Rollen zu spielen - in fantasievollen Kostümen vor einem einfallsreichen Bühnenbild (Timo Dentler und Okarina Peter) in einer Welt, in der kindliche Wünsche vom Starksein über das Durchsetzenkönnen bis hin zum einfach mal Spaß haben wahr werden - dieses Weihnachtsmärchen hat die Kraft zum Bezaubern.

Aufführungen bis 2. Januar, bis zu drei Vorstellungen an einem Tag. Die nächsten Termine. : 24., 25., 26., 27. November , 4., 5. Dezember, Kartentel. 0521/555-444.

Neue Westfälische 22.11.2010

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